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Herausgeber : Wilhelm Ludwig Wekhrlin

 
Adam Weishaupt :
 

Die Sache der Illuminaten in Baiern ist nicht
Verfolgung, sondern simple und, wie es scheint,
billige Policey=Anstalt.

     Policey=Anstalt! - - Die Criminalgerichte, und alle öffentlichen Anstalten gegen Verbrechen, sind auch Policey=Anstalten. Ich sehe nicht, was diese gegebene Wendung milderndes enthalten soll. Auf den Namen kommt es nicht an, sondern auf die Sache : und wenn bey dieser alles sich findet, was man sonst bey Verfolgungen zu sehen gewohnt ist, so mag der Verfolger die Sache taufen, wie er will, sie ist und bleibt allezeit eine wirkliche Verfolgung, weil die Verbrechen nicht angegeben und sämtlich unerwiesen sind. Mit dem nämlichen Grund könnte man auch das unter dem 12. December vorigen Jahrs contra den Buchstaben K und die in den Kanzleyen überhandnehmende Belletristerey ergangene Rescript, so wie auch die Aufhebung der Münchner Akademie, und die Verwendung ihres Fonds zu einem Spinnhaus, eine Policey= oder auch ökonomische Anstalt nennen. Wenn die Sache bloß auf den Namen ankommt, so ist es leicht zu erweisen, daß die Welt so reich an Weisheit und Tugenden sey, als wir sonst gewöhnlicher weise Thorheiten und Laster darin entdecken.
 
     Meint der Verfasser der Schilderung die landesherrlichen wider geheime Gesellschaften ergangene Verordnungen, oder das Verfahren gegen die Illuminaten vor und nach diesen Verordnungen?
 
     Jedem Regenten muß frey stehen, entweder wie Friederich über alle geheime Gesellschaften gleichgültig weg = aber desto aufmerksamer auf Personen, ihren Charakter, ihre Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit zum Dienste des Staates zu sehen; oder wie Joseph den geheimen Gesellschaften ein gewisses Maaß und Ziel, aber auch den Gerichtsstellen in Ansehung ihrer eine gewisse und bestimmte Ordnung des Verfahrens vorzuschreiben; oder wie Carl Theodor dergleichen Gesellschaften in seinen Staaten gänzlich aufzuheben.
 
     Keinem Regenten kann frey stehen, die Ehre der Nation in einem oder mehreren Unterthanen zu brandmarken, wenn nicht wirklich begangene, gerichtsordnungsmäßig untersuchte und erwiesene Verbrechen ihn dazu nöthigen.      So dachte auch B. von Kreittmayr, als der den 5ten Theil seiner Anmerkungen ad Cod. civil schrieb. Seine Worte Cap. 25. §. 15. sind: "Cassation, Deposition, Amotion, seynd species poenae, supponiren allzeit ein Verbrechen, und können anderer Gestalten nicht, als praevia sifficienti causae cognitione verhängt werden." Und hernach: "Da eine Permutation, Translation große Beschwerlichkeiten auf sich hat, indeme die Beamte keine Schnecken seynd, welche Haus und Hof auf dem Rücken mit sich führen: so ist dieselbe citra delictum vel poenam weder rathsam noch gewöhnlich." Endlich: "Die Suspension soll niemahl anders, als a Iudice competente aus sonders erheblich, und ad Inquisitionem specialem erklecklicher Ursach verhängt werden.
 
     Ob und wie weit diese Grundsätze bey der Cassation, Amotion, Deposition, Suspension, Permutation so vieler Illuminaten beobachtet worden, könnte eine beurkundete Geschichte ihres Schicksals zeigen.
 

Eine bairischer Officier, der 1779 in Urlaub
zu seiner Familie gieng etc.

     Also ein bairischer Officier der Stifter des Illuminatismus? Fürwahr ein äusserst merkwürdiger Mann; man sollte ihn der Nation und dem teutschen Publicum bekannt machen. Warum that es doch der Verfasser dieser Schilderung nicht? Träumte er allenfalls nur vom Hörensagen, oder erdichtete er geflissentlich? So viel kann man einstweilen dem Publicum versichern, auch auf alle Fälle beweisen, daß die Einführung des Illuminatismus in Baiern sich etwas weiter, als 1779 zurück datirt.
 

Das System der Illuminaten hatte
nicht die mindeste Tinctur von Maurerey,
sondern nur gewissen äusserliche Zeichen.

     Tinctur von Maurerey? Der Verfasser dachte entweder nichts bey diesem Worte, oder er weiß nichts vom Innern des Ordens. Wie, der Illuminatismus sollte nicht Grundsätze und Anstalten *) [Spuren und Beweise hievon findet der forschende Denker vielleicht selbst in dem, was zur Entehrung des Ordens mit so vielem Geschrey, und so hämischen Consequenzen angeführt wurde. Ich verstehe hier vorzüglich die Pflicht und Obliegenheit des Illuminaten von seinem und der ihm bekannten Candidaten Charakter Schilderungen zu liefern. Das Auge des Forschers findet in Thatsachen sovielmahl gerade des Gegentheil von dem, was man dadurch verhüten wollte. Wenn ich mich nicht sehr betrüge, so ist dieß gewiß auch hier der Fall.] besitzen, die zur Aufklärung, Beobachtung, Kenntniß und Vervollkommnung seiner selbst und anderer leiten, ja gewissermaßen zwingen? Mögen doch Herr Grünberger, und andre mißvergnügt ausgetretene reden!
 
     Aeusserliche Zeichen! - Kennt sie der Mann, und ihren Sinn? Sie stellen die lautersten, und erhabensten Ideen und Lehren der Moral dar. Herr Grünberger und andere mißvergnügt ausgetretene mögen reden.
 

Männer von Wichtigkeit, und dem ehrwürdigsten
und besten Charakter wurden Mitglieder
dieser schwärmerischen Loge.

     Wo ist Schwärmerey? Meines Erachtens da, wo abentheuerliche, ausschweifende, unnatürliche Ideen die Urtheile und Handlungen bestimmen, Ideen von einer durch Leidenschaft empörten oder sonst verstimmten Phantasie ausgeheckt, welche hinwieder die Phantasie anderer anstecken, erhitzen, verstimmen!
 
     Führt das System der Illuminaten solche Ideen mit sich? Warum hebt man sie nicht aus, und macht sie dem Publicum (versteht sich mit den dazu gehörigen Beweisen) bekannt? Das unsinnige Zettergeschrey von unmenschlichen Greuelthaten, wozu eine nicht mehr zurückhaltende Rachgier aus Noth und Verzweiflung ihre Zuflucht nahm, ist der überzeugendste Beweis von der Lauterkeit des Systems.
 
     Dagegen die gräßlichen und abentheuerlichen Vorstellungen und Bilder von grimmigen unter einer gutmüthigen Nation, zur Zeit des innern Friedens, mit dem Dolch unter dem Kleide herumwandernden Menschenwürgern, im Dunkeln lauernden Giftmischern, Fürstenfamilienmördern im Lichte von Europa, Anlegung einer Universalmonarchie auf einem Flecke des Staaten= und Fürstenreichen Teutschlands etc. diese Vorstellungen allenthalben verbreitet, allenthalben geglaubt, und zum Grund der ungerechtesten Urtheile und härtesten Handlungen genommen, verriethen nicht Schwärmerey? Die Illuminaten waren nicht eines einzigen der ihnen zur Last gelegten Verbrechen überwiesen, es war nicht einmahl eine Spur oder Anzeige von irgend einem im Lande begangenen Verbrechen dieser Art vorhanden; und doch schrie alles Volk auf den Kanzeln und unter den Kanzeln, auf öffentlichen Strassen und in Schenken, von nichts als Staupbesen, auf den Pranger stellen, Hängen, Köpfen, Rädern. Und das hieße nicht Schwärmerey?
 
     Doch das geht den Verfasser nicht an. Er findet die wider die Illuminaten verbreitete Gezüchte (wie er sich ausdrückt) selbst lächerlich, also wohl auch den Glauben daran schwärmerisch.
 
     Aber auch den Verfasser und seine Schilderung, mit den durch die Inquisition bekanntgemachten Illuminaten und ihrem Verhalten gegen einander verglichen, wo findet sich Schwärmerey? auf dieser oder jener Seite?
 
     Die Illuminaten behaupteten standhaft ihre Unschuld, baten gelegentlich um ordentliche, strenge Untersuchung ihres Verhaltens gegen ihren Regenten und ihre Mitunterthanen, trugen, als man sie größtentheils gänzlich ungehört, verurteilte, wie Männer in stiller Gelassenheit ihr Schicksal; oder hielten es für rühmlicher, ihre Ehre unbefleckt mit sich aus dem Lande zu nehmen, als entehrt und beschimpft, Würden und Einkünfte im Lande zu behalten und zu vermehren.
 
     Wo ist hier Schwärmerey?
 
     Der Verfasser dagegen stellt würdige, solide, ihrem Vaterland Ehre machende Männer, Menschen von besten, rechtschaffensten Charakter, Geister der ersten Größe unter einem unendlichen Haufen von Gassentretern, Luftspringern, Hausdieben, und läßt sie daselbst bis ans Ende, sogar gegen den Korporalsstab der Inquisitoren aushalten. Er erhebt jetzt die Gerechtigkeit, Mäßigkeit, Klugheit des Hofes, und stellt gleich darauf den Inquisitoren, den ersten und beynahe einzigen Theilhabern an allem, was bey Hofe beschlossen ward, und wird, den Korporalstab bey einem heiligen Offiz zur Hand.
 
     Zeugt dieser Wirrwarr nicht von Schwärmerey? Nun so zeugt er umso gewisser entweder von Unvernunft oder Calumnianten=Schrauberey. Das Publicum mag entscheiden, ich kenne kein viertes.
 

Man bewarb sich bey verschiedenen
ächten Freymaurerlogen um Verbindung.

     Nichts neues unter der Sonne! Seht da, die unselige Idee von einer alleinseligmachenden Freimaurerey, wo allzeit die Partey den Richter macht, und den Gegentheil verdammt, weil er es nicht mit ihr hält, auch in der Freimaurerey einreißen? Wer ist wahrer Freymauerer? Nach Leßings und Zimmermanns Begriffen, der aufgeklärte und tugendhafte Mann, der gute Mensch, er mag es hernach durch die Anstalten und Einwirkungen der öffentlichen, oder einer geheimen Gesellschaft, oder beyder zugleich geworden seyn.
 
     Welches ist die ächteste Loge der Welt? Diejenige, welche die erleuchtetsten, rechtschaffensten Mitglieder in der größten Zahl, die lautersten Grundsätze, und wirksamsten Anstalten zur Aufklärung und Veredelung der Menschen besitzt.
 
     Das Constitutionspatent also? Ist nöthigenfalls eine Art von Gewähr für den Regenten und die Nation, von größern oder geringern Gewichte, je nachdem die Ueberzeugung von der guten Denkungsart der Constituenten größer oder geringer ist. Die Loge Theodor vom guten Rath ist vielleicht eine der ältesten Logen in Ober=Teutschland. Sie existirte schon lange vorher unter dem Namen der Bögner oder Radlischen Loge, ehe sie im Jahr 1778 auf Zureden der Pfälzischen Maurer sich von der Loge Royal York in Berlin eine Constitution geben ließ. Einige Zeit darauf, als sie sich von ihrer Mutter=Loge aus guten Gründen getrennt, trat sie dem eklektischen Maurer=Bund bey, und erhielt von beyden Directorial=Logen in Frankfurt und Wetzlar eine neue Constitution. Daß sie allenthalben abgewiesen worden, ist, wie fast alles in dieser Schrift, baare Unwahrheit und Erdichtung.
 

Dieses, (Mangel an Realität, Abgang eines
Constitutionalpatents) war die Ursache, daß einige
Klügere abbtrünnig wurden, und sich mit Ehre
aus der Loge schlichen.

     Nicht dieses, sondern übertriebene Meinung von der Wichtigkeit seines Selbstes, unruhige, nicht genug geschmeichelte Ehrfurcht trieb den Herrn Urschneider, Furcht vor Ungnade, Aussicht auf Gunst und Vortheil zog die wenigen andern von diesem abhängige Professoren der Marianischen Akademie, einen Grünberger, Cosandey, Renner etc. entweder mit Gewalt nach, oder erzeugte in ihnen Hang und Neigung, lediglich Böses im Institut und Charakter der Mitglieder aufzusuchen. Diese sind also die so klugen Köpfe, welche sich mit Ehre aus der Loge schlichen. Hätten sie dieß alles, und nichts weiter gethan, so möchte ihr Austritt immerhing eine gleichgültige Sache seyn: aber da sie es waren, welche am ersten widrige Gerüchte von der Gesellschaft verbreiteten, geheime infamirende Denuntiationen gemacht, ihre hohe Gönnerin gemißbraucht, und gegen den Orden aufgebracht, das Verzeichnis der Mitglieder aller Orten verbreitet, sich mit einem Strobl, Babo, Rosenkreuzern und Jesuiten verbunden, die infamsten Pasquille mittelbar oder unmittelbar in die Welt geschrieben, und von allen bisherigen schauervollen Vorfällen die entfernte Triebfeder gewesen, ob sie gleich allezeit hinter dem Vorhang gestanden; da hört ihr Austritt auf ehrenvoll zu seyn. Da erscheint aus allen ihren Schriften und Vorkehrungen, Bosheit, Rachsucht, Verleumdungssucht, und nichts weniger von allem, als ihr vorgeblicher Patriotismus. Wenn sich diese Herren selbst kennen, oder genauer, aber unparteyisch erforschen wollen, so werden sie finden, daß ihr so hochgepriesener Patriotismus nichts anderes sey, als Begierde, sich bey der künftigen Regierung einen Namen und Verdienst auf Unkosten anderer zu verschaffen, als Erretter des Vaterlands von einer großen Gefahr, (die niemahlen existierte) angesehen zu werden, und dafür zur Belohnung von der künftigen Regierung hohe und erträgliche Stellen, nebst einem größeren politischen Einfluß zu erhalten. Dieß war ihr Patriotismus, dieß ihre Spekulation, dieß die Ursache, warum die Illuminaten von ihnen so gefährlich beschrieben werden: denn sie wollten siegen, und es war doch kein Feind da; sie mußten ihn also erdichten. Wer stellte sich ihnen nun natürlicher dazu dar, als die Illuminaten, bey denen ihre Herrschsucht unbefriedigt geblieben? die mit allen geheimen Gesellschaften auch dieses gemein haben, daß ihre Absichten der übrigen Welt verborgen, und schon eben dadurch verdammlich sind; die jeder Profane so gern als seine Feinde betrachtet, weil er sich davon ausgeschlossen sieht; die jeder so gern fürchtet, weil er nur ein einziger gegen viele ist; die am leichtesten können verläumdet, falscher Absichten beschuldigt werden, weil ihre Zwecke geheim sind, und der übrigen Welt nicht können zur Rechtfertigung vorgelegt werden, ohne daß sie verfallen, oder aufhören, eine geheime Verbindung zu seyn.
 
     Die Herren traten und entweder offenbar zur Gegenpartey über, und vermehrten, und bestättigten, um sich in der neuen Verbindung wichtig und beliebt zu machen, durch Lügen oder Verdrehungen, die falschen Urtheile und Erzählungen; oder suchten eine Art von Mittelwesen freylich mit einem nur gar zu merklichen Übergange zur mächtigern siegenden Partey bey allem Scheyn von Unparteylichkeit und Billigkeit vorzustellen.
 
     Möglich indeß, oder vielmehr gewiß ist es, daß einige der Ausgetretenen redliche und vernünftige, oder doch sehr verzeihliche Ursachen zum Austritt haben mochten.
 
     Diese Ursachen konnten aber lediglich entweder aus ihrer individuellen Lage, ihren häuslichen Umständen, Familienverhältnissen etc., oder einem etwas mehr weichen, schwächlichen oder schüchternen Charakter ausfließen.
 
     Hätten die Ausgetretenen die Ursachen ihres Austritts von der Unlauterkeit des Instituts oder der Lasterhaftigkeit der Mitglieder abgeleitet; so hätten sie nimmemehr schweigen können, sie hätten die Ursachen ihres Austritts vor der ordentlichen Obrigkeit oder doch vor dem Publicum angeben, und auf eine glaubwürdige Art erhärten müssen. Wie betragen sie sich aber statt dessen? Wenn sie namentlich auftreten, so haben sie den Orden verlassen, weil man dort Zeit und Geld verliert, immer von Cosmopolitismus gegen den Patriotismus predigt. Wenn sie ihre hohe Gönnerin insgeheim gegen den Orden erbittern wollen, so führen sie eine andere Sprache, sie haben Anschläge gegen das Vaterland, Zusammenhang mit einem benachbarten großen Hof entdeckt. Wenn sie die Geistlichkeit und den Pöbel in ihr Interesse ziehen wollen, so geht der Orden mit nichts geringern um, als die Religion zu vertilgen, den Deismus und Epicureismus zu verbreiten. Diese Absicht mußten andere in Schriften, und die Prediger von den öffentlichen Kanzeln, unter das Volk bringen, die um so glaubli-cher sind, weil sie von einem geistlichen Ordens=Mitglied selbst, von ei-nem Cosandey, unter dem 3. April des vorigen Jahrs in die Hände des Fürst=Bischofs von Freisingen schriftlich übergeben und die Anzeige davon in geheim gemacht worden. Um die Staatsbeamte zu erbittern, so sucht die Gesellschaft alle Stellen an sich zu reißen, mit den Ihrigen zu besetzen. Um den Regenten selbst, samt seinem Ministerium zur Verfol-gung zu überreden, so sind dieß diejenigen Leute, welche die gedruckten Pasquille über die Regierung schreiben, das Wittelspachische Haus vertilgen wollen, sich dem Ländertausch widersetzen, aller Thronen sich bemeistern, jeden Regenten mit ihren Leuten umgeben und in einer schändlichen Abhängigkeit erhalten wollen. Wenn diese Angaben vielen zu übertrieben und lächerlich scheinen, daher keinen Glauben finden, so sieht man sich genöthigt, den Ton herabzustimmen, die Beschuldigungen auf den Grad zu mäßigen, daß sie Verachtung der Gesellschaft erwecken sollen. Nun hören die Mitglieder auf, Atheisten, Landesverräther etc. zu seyn. Alles ist eine bloße Policey=Anstalt; die Sache selbst eitle Beutelschneiderey eines Officiers. Es wurden ganze Familien ruinirt, Eltern und Vormünder betrogen, und hinterlistet: es waren aber doch Geister der ersten Größe dabey, und diese merkten mit aller Größe des Geistes den Betrug nicht: und um die Billigkeit der Regierung zu beweisen, mit welcher in allem verfahren worden, wurden diese Geister der ersten Größe Richtern übergeben, die sich besser zu Korporalen der heiligen Inquisition schickten, und wurden des Landes verwiesen, und ihre Aemter entsetzt, weil in dem Orden eine Menge von Luftspringern und Pflastertretern entdeckt wurde. - Aus so vielerley Gesichtspuncten wußten dieselbige Personen, dieselbige Sache vorzustellen, um das Publicum für sich zu gewinnen: und wenn ich mich nicht betrüge, war der letzte derjenige, wodurch sie sich am meisten schaden, weil sie sich in solchem am meisten widersprechen, und ihren Gegnern Dinge eingestehen, wodurch ihnen der Beweis ihrer Unschuld erleichtert wird.
 

Die Einlage der Novizen war ausschweifend.

     Möchte es doch dem Einsender belieben, einen einzigen zu nennen, der durch die Illuminaten=Orden in Schulden verfallen. Dafür will ich ihm mehrere nennen, die wegen ihrer Schulden mehrmahlen zu besserer Wirthschaft ermahnt, darauf suspendirt oder wohl gar ausgeschlossen worden. Ich will ihm mehrere nennen, die nicht nur allein gar nichts bezahlt, sondern sogar von der Gesellschaft werkthätig unterstützt worden. Was der Einsender von den ausschweifenden Aufnahmsgeldern sagt, ist offenbare Unwahrheit. Als die vier ausgetretene Professoren ihre: Auch eine Vorlage schrieben, so lieferten sie zugleich ein getreues Verzeichniß von den Angaben an die Gesellschaft.
 

Um die Einlage aufzutreiben, bestahl man
Vater, Mutter, Weiber, etc.

     Diese Beschuldigung ist zu frech, als daß man darauf antworten könnte. Nur ein Beyspiel zum Beweis wider alle!
 

Zu gleicher Zeit vernahm man, daß sie sich
in Schenken bey Biekrügen öffentlich für Freymaurer
erklärten, und ihre Lehre predigten.

     Wohl möglich, daß hie und da einem jungen Manne die plötzliche Entdeckung einer neuen, mitten in der alten verborgenen, herrlichen Welt den Kopf irre machte, und der Mund von dem, wovon Herz und Geist voll war, überging; oder die Wahrheit freymüthig gesagt: Ich erinnere mich selbst vor 5 bis 6 Jahren ungefähr 4 bis 5 dergleichen Leute gekannt zu haben.
 
     Dergleichen Leute, ihrer und andrer Brüder einzelne Fehler und Mängel, deren sie als Menschen freylich auch mehr oder weniger haben, sind es, worauf Partheyhaß und Feindschaft unaufhörlich sieht, dieselbe ins Ungeheure vergrößert, und aufs Ganz ausgedehnt, um seine äusserst ungerechten Urtheile und grausamen Handlungen - die Entehrung der Nation bey sich und andern zu rechtfertigen, und sich und andre in der Täu-schung zu erhalten.
 
     Zur Ehre des Instituts, und jener Leute, die demselben so viel geschadet haben, muß ich aber auch sagen, daß sie mit dem Verlauf der Zeit immer mehr von ihrem Unfug abgelegt, und größtentheils eine ordentliche und bescheidene Denkungsart angenommen haben, nicht ohne Mitwirkung des Ordens, wenn ihms auch nicht alle mehr gleich erkenntliche danken.
 

Der Pöbel verwandelte sie in Freygeister.

     Also der Pöbel? Viel Ehre für den berühmten Strobl, für den Verfasser der Gemählde aus dem menschlichen Leben, für den Verfasser der ersten Warnung, für den Verfasser der Schrift: Auch eine Beylage. - Diese sind also der Pöbel von München? Denn diese waren es, welche jene Calumnien gegen die Illuminaten ausgestreuet haben. Erst durch diese und die empörende Predigten eines Franks, Krembs, Bürzers, wurde der eigentliche Pöbel aufgebracht. Vorher war solcher gegen Freymaurerey gänzlich gleichgültig, aber nachdem solche Schriften erschienen, und von der öffentlichen Kanzel, statt des göttlichen Worts, als classische Werke angepriesen wurden, da entstand freylich eine allgemeine Gährung. Diese hatte aber mit Fleiß lange vorher auf diese Art vorbereitet, um den so lange sich widersetzenden Kurfürsten durch diese Gährung endlich zu einem entscheidenden Schritt zu bereden. Der Pöbel kann nie gegen eine Sache aufgebracht seyn, die er nicht kennt. Und wenn der Pöbel über solche ihm unbekannte Gegenstände lärmt, so ist allezeit vorher ein oder der andere Demagog öffentlich oder heimlich aufgetreten, der ihm eine solche Sache unter ganz falschen Vorspiegelungen gehässig vorstellt.
 
     Der Pöbel in Baiern verwandelte nicht bloß die Illuminaten, sondern auch den gutmüthigen und bescheidenen Oefele, eine Obermair, Lory, Linowsky, Braun, Westenrieder, Zaupfer, Milbiller, Schuhbaur, jeden selbstdenkenden Mann, jeden Aufklärer der Nation. Man ließ den Pöbel verwandeln, über seine Verwandlungen disputiren, und sich dadurch aufklären.
 

Die Inquisition wurde über die Illuminaten verhängt,
nicht so fast, um sie zur Strafe zu ziehen,
als um sie der Wuth des Pöbels zu entziehen.

     Welche niedrige elende Verdrehung! Ich weiß nicht, was für eckles, widerliches Gefühl mich allenthalben befällt, so oft ich Menschen zu so armseligen Wendungen und Winkelzügen ihre Zuflucht nehmen sehe!
 
     Bey dieser Stelle bemerke ich folgende Stücke:
 
     1. Nachdem einmahl die Sache, durch boshafte Cabbalen, so weit gekommen war, so ist es freylich nicht mehr befremdend, daß man zur wirklichen Inquisition geschritten. - Aber wie ging man dabey zu Werk? Lese doch jemand mit Unbefangenheit die der Welt im Druck vorliegenden Acten der verurtheilten Mitglieder. Wurde wohl ein einziger, über die von dem Pöbel, oder von den Warner angedichtete Verbrechen, zur Rede gestellt? Wurden nicht viel mehr ganz eigene, lächerliche, unjustificirliche Gründe ihrer Verdammung angegeben? Wären die Urtheile mit dem Factum übereinstimmend, solchem angemessen? Wurden ihnen nicht sorgfältig aller Recurs an den Hof, alle weitere Vorstellung untersagt, eine genauere Untersuchung abgeschlagen? Sr. Durchlaucht selbst wurde gehindert, sich von dem Grunde der Sache zu überzeugen, wurde beredet, die von dem Grafen von Seau übergebene Bittschrift der Gesellschaft, das von ihr durch diesen gemachte Anerbieten, alle ihre Grade und Schriften zur Einsicht vorzulegen, in Ungnaden zu verwerfen. Freylich wird man zur Rechtfertigung sagen, die Gesellschaft würde doch nichts weiter vorgelegt haben, als was sie zweckmäßig gefunden hätte. Aber nein, auch dagegen war ein Mittel: Utschneider, Grünberger, Cosandey, waren Mitglieder der Gesellschaft, beyde letztere sogar Obere der Gesellschaft. Diese hätte man beyziehen können, diese hätten bezeugen sollen, ob die Grade falsch oder ächt seyen. Sodann hätte man die Gesellschaft näher, als aus bloßen anonymischen Schriften, und geflissentlich veranlaßter Pöbelsage beurtheilen können. - Zu diesem gehört noch, daß viele Mitglieder gar nicht gehört, aber darum doch verurtheilt; andere nur zum Schein zur Verant-wortung gelassen, und sodann keine ihrer Entschuldigungen erheblich ge-funden worden. Wie sich nun dieses mit dem von dem Einsender so sehr gerühmten Benehmen des Hofs, und den dabey zu Grund liegenden genauesten Grundsätzen der Billigkeit, Mäßigung und Vorsicht, so wie auch mit der oben angeführten Kreitmayrischen Stelle vertrage, mögen billige Leser selbst beurtheilen.
 
     2. Was fachte die Wuth des Pöbels bis zum äussersten Grade an? Nebst den abentheuerlichen und äusserst abscheulichen Inzichten der Verläumdung, nichts so sehr, als das grelle und auffallende Verfahren gegen die Verläumdeten. Die Nation hatte zugesehen, wie man jahrelang Untersuchungen, Berathschlagungen anstellte, ehe man zur Entsetzung oder auch nur zu Versetzung eines Rathes und Beamten schritt. Nun sah sie Geistliche, Professoren, Räthe, Beamte, Officiere ohne weiters cassiren, suspendiren, permutiren, exuliren. Der Schluß konnte wohl kein anderer seyn, als dieser, der auch überall gehört wurde: Es muß also wahr seyn! Die Leute müssen wirklich die ärgste Greuelthaten verübt haben, und derselben gänzlich überwiesen seyn; sicherlich, wären nicht so viele Vornehme darunter, des Hängens, Köpfens etc. würde kein Ende seyn!
 
     Weiß es doch ganz München, daß die Illuminaten nirgends Zutritt und Gehör fanden, und allenthalben zurück gewiesen wurden; daß dagegen Calumnianten, je frecher und stirnloser, desto mehr willkommen waren, desto eher Belohnung fanden! Babo, der Urheber aller Unruhen, verdiente sogar Zeitungsschreiber zu werden. Er befolgte den Wink oder auch seine Instruction so gut, daß keine entehrende That in irgendeinem Winkel von Europa zum Vorschein kam, die er nicht den Illuminaten zuschrieb; kein Bösewicht sich durch Frevelthaten bekannt machte, den er nicht, wie z.B. den Adepten Cagliostro, für das Haupte der Illuminaten ausgab.
 
     Und die Polizey? die schwieg! Man schien gänzlich vergessen zu haben, daß B. von Kreitmayr einst im Cod. Drim. 1. Th. 8 Cap. § 11. wider Calumnianten [Die Schrift: Gemählde des menschlichen Lebens, welche die Ehre eines großen und ansehnlichen Theils der Nation auf eine so freche Art schändete, und dem ungeachtet unter dem eigenen Namen des Verfasserts öffentlich gedruckt und verkauft werden durfte, gibt einer auffallenden Beweis, wie wenig man nicht nur für die Ehre, sondern auch für die Ruhe der Nation besorgt war. Und doch will man die hierüber entstandenen Unruhen und Aergernisse auf Rechnung der Illuminaten setzen?] ein Gesetz verfaßt habe.
 
     3.Nach dem Einsender sind diese Verfügungen von dem Münchner Hof, nicht in der Absich zu strafen, getroffen worden, sondern um die Illuminaten der Wuth des Pöbels zu entziehen. Wenn die Regierung dieß zur Absicht hatte, so hat sie ganz verkehrte Mittel ergriffen. Sie hätte statt dessen nicht jeden Verläumder in Schutz nehmen, Verborgenheit und Belohnung versprechen sollen. Sie hätte auf die Urheber der Pasquille inquiriren sollen. Sie hätte den Predigern ihre empörende Reden untersagen, das Volk selbst durch ein ernsthaftes Edict von Gewaltthätigkeiten abmahnen, und scharfe Untersuchung der Sache versprechen sollen. Von allem diesen geschah gerade das Gegentheil. Der Prediger bey dem heiligen Geist, Solanus Bürzer, durfte ungeahndet eine seiner Predigten mit folgenden Worten beschließen: alle Freymaurer sind Spitzbuben, alle Spitzbuben sind Freymaurer. Der Blitz hat den Greuel entdeckt, bessere Menschen hangen an dem Galgen. Jeder durfte schreiben und drucken lassen, was er wollte, so bald es gegen die Illuminaten gerichtet war. Die unter der Censur stehende öffentliche Zeitung wurde zur Quelle, aus welcher sich alle gehässige Anekdoten verbreiteten. Und dieß soll Schutz gegen die Wuth des Pöbel seyn? Und es soll zugleich keine Strafe seyn, daß man seines Amtes entsetzt, oder auf und unter die Hälfte seiner vorigen Einkünfte herabgesetzt wird, daß viele Menschen um ihre bürgerliche Ehre gebracht werden, daß man sein Vaterland verlassen muß, daß schuldlose Frauen und Kinder im Elend darben, daß man die Exulanten sogar in ihren fremden Wohnsitzen beunruhigt, die Obrigkeit ihres Orts gegen sie aufzuhetzen sucht, daß sie von neuen Nachstellungen auch in der Ferne nicht gesichert sind, daß man sogar bischöfliche und päbstliche Censuren gegen sie auszuwirken, und sie von der Gemeinschaft ihrer Kirche zu trennen sucht; daß keiner mit seinem Freund reden, ihn besuchen kann ohne in neue Inquisitionen zu verfallen. - Und dieß alles, und noch ungleich mehr heißt der Einsender keine Strafe, er nennt es Polizey=Anstalt, und Schutz gegen die Wuth des Pöbels? Man vergleiche auch hiemit die oben angeführte B. v. Kreittmayrische Stelle.
 
     Wodurch der Hof seine Hochachtung gegen die Freymaurer zu erkennen gegeben habe, weiß ich nicht, und vermuthlich niemand. Die landesherrlichen Verordnungen verbieten alle geheime Gesellschaft ohne Unterschied.
 

Wenn es wahr ist, so soll sich der Kurfürst, ehe er das Verfahren gegen sie entschied, eine treue Liste aller in Teutschland existirende Logen habe verschaffen lassen,
und da er München nicht darin fand, auch auf Privat=Erkundigung
versichert wurde, daß der wahre Orden die Münchner Loge mißkenne,
sich erst zur Inquisition entschlossen haben.

     Der Himmel weiß, wenn dem also ist, bey wem sich der Regent in diesem Fall erkundigt haben mag? Leute, die ihr Spiel so gut zu veranstalten wissen, verstehen auch ganz gewiß die Kunst, die Sache so einzulenken, daß die Frage nur an diejenigen kommt, die zu ihrem Zweck sind. Mit dem allen sieht man aus dieser Beschönigung dieses Verfahrens angeführten Stellen, welche Mühe es gekostet, den Regenten gegen die Loge Theodor vom guten Rath aufzubringen. Daß der Regent die Münchner Loge nicht in dem Verzeichniß gefunden, kann sehr natürlich seyn; es durfte nur, wie alle Vermuthung dafür ist, das Verzeichnis der vereinigten Logen von der stricten Observanz seyn. Gibt es denn aber, außer solchen, keine wahren und ächten Logen? Die erste Loge der Welt, die zu Londen selbst, ist nicht von diesem System. Alle englischen Logen in Teutschland, alle Zinnendorfische, alle eklektischen Logen gehören nicht dazu. Die stricte Obervanz selbst ist nur eine abgerissene Tocher von der gemenschaftlichen Mutter. Die Loge Royal York zu Berlin, die zu Manheim, gehören eben so wenig dazu. Was kann also dieß der Aechtheit der Loge Theodor schaden, daß sie der übergebenen Liste nicht einverleibt, oder vielleicht mit Fleiß ausgelassen worden?
 

Man enddeckte Knaben Pflastertreter, Luftspringer, Hausdiebe; aber auch höchstwürdige, solide, der Nation Ehre machende Männer, Menschen vom besten und rechtschaffensten Charakter, Geister der ersten Größe.

     Alles neben einander und untereinander! Humano captivi cervicem pictor equinam etc.
 
     Und Leute, die so widersprechende Dinge zusammen paaren können, bestimmen die Urtheile so vieler Menschen!
 
     Wir wollen aber annehmen, es sey so! Was folgt hieraus? Unmittelbar dieses: daß die Aufhebung der Gesellschaft eine für die Nation sehr unglückliche Begebenheit sey. Die größere Kraft hat noch allemahl die kleinere nach sich gezogen. Die soliden und großen Geister würden die kleineren umgestimmt, sie würden der Nation aus Gassentretern und Luftspringern manchen brauchbaren Staatsbedienteten, manchen guten und braven Mitunterthan erzogen haben. - Die Direction war nicht in ihren Händen? Wo ist der Beweis? Und wenn auch, man hätte dafür ungesorgt seyn können, sie würden dieselbe bald in die Hände bekommen haben. Der große Geist steht nicht lange hinten an; nur einmahl einige Schritte, und er erscheint, ehe man sichs versieht, an der Spitze.
 

Das traurigste Schicksal der Illuminaten und vielleicht für den Dienst
des Vaterlandes selbst ist, daß die Inquisition zum Theil in solchen Händen ist,
die besser zu Korporalen bey einem heiligen Offiz taugen würden, als zu Richtern.

     Wieder ein auffallendes und warnendes Beyspiel, wie schimpflich Staatsmännern, die ihre erhabenen Rollen vergessen, und vom Parteygeist von eigenen und fremden Leidenschaften sich niederziehn lassen, am Ende meistens von ihrer eigenen Partey mitgespielt werde.
 
     Was ward nicht alles unternommen, um es dahin zu bringen, wohin es kam? Man erdichtete, verbreitete und häufte so lange die abentheuerlichsten, unsinnigsten Vorstellungen und Erzählungen, bis die Nationalvernunft und Urtheilskraft unter dem schändlichsten Wust erlosch, und die beyden heftigsten, und wenn sie falsch geleitet werden, fürchterlichsten Leidenschaften, Religionseifer und Vaterlandsliebe, in Wuth sich wandelten. Der Lärm ward allgemein und ärgerlich. Die Regierung fühlte sich dadurch incommodirt. Sie glaubte anfangs, durch eine bloße Abrathung von geheimen Gesellschaften (mehr war das erste landesherrliche Mandat nicht) nachmahls aber durch ein wirkliches Verbot sich Ruhe und Frieden zu verschaffen. Die Illuminaten thaten alles, was sie zur Herstellung des Friedens thun konnten. Sie traten auseinander. Allein sie bekleideten noch ihre Aemter, zeigten noch Achtung für das Institut, und liebten und besuchten sich noch als Freunde. Das war unerträglich, Haß und Rachsucht einer verfolgenden und siegenden Parthey kennt kein Ziel. Gänzlich aus einander gestört, erniedrigt, und von ihrer Ohnmacht überzeugt, wollte man die Leute sehen. Das Zettergeschrey ward aufs neue ärger, als jemahls, die vorigen Verläumdungen wurden mit neuen, wo möglich, noch abscheulichern vermehrt. Eine ehrenschänderische Schrift lief vor der Rückkehr des Kurfürsten aus der Unterpfalz von Hand zu Hand herum, worin die unerhörtesten Gräuelthaten für erwiesene Thatsachen ausgegeben, das Volk durch Vorherverkündigung fürchterlicher Executionen vorbereitet und der Fürst und seine Räthe bey ihrer Nation beschwornen Pflicht, ihren Gewissen, und ihrer Seligkeit zur Vornehmung jener Executionen, zur Rettung der Religion und des Vaterlandes aufgefordert wurden.
 
     Man sage mir doch, was wollten diese Leute, die Feinde der Illuminaten? Hoffentlich, daß man ihnen glauben solle! Nun es ward ihrer auch geglaubt, und zwar so kräftiglich, daß man diesem Glauben gemäß ohne weiters vorschritt, und gar auf keine Weise zweifelte, der Verfolg werde die nöthigen Beweise von selbst aufdecken, und das ausserordentliche Verfahren vor dem Publicum rechtfertigen.
 
     Der schon einmahl von Pater Jost (wie man sich damals zu sagen erlaubte, auf Eingebung seiner und absichtsvollerer Leute) vorgeschlagene, von den Baiern damahls edel verabscheute Plan ward wieder hervorge-nommen, und bey der so günstigen Stimmung der bethörten Nation zur längst erwünschten Ausführung gebracht.
 
     Ein spanisches Inquisitions=Gericht trat mit allen seine Schrecknissen mitten in Teutschland hervor, und eröffnete im Angesichte von Europa den Schauplatz. Die Opfer wurden vorgeführt. Sie zeigten fast durchgehends einen rührenden Edelmuth, eine hohe Seele in ihrem Betragen. Sie behaupteten standhaft die Würde des Menschen, die Rechte des Unterthans. [Wo ihr auch immer herumirrt, (ich weiß das von den wenigsten) wo immer dieses Blatt, wenn je, euch in die Hände kommt, meine ehemaligen Brüder, und ewig meine Freunde! Vernehmt meinen Dank und meine Segnung! Was ihr gethan und gelitten habt, kann nicht ohne häufige Früchte bleiben. Wenn auch euer Betragen bey euern Landsleuten die Begriffe von Menschenwürde, von verfassungsmäßiger bürgerlicher Freyheit, vom Vorzug innerer Ehre vor äussern Vortheil nicht gehoben, in die Herzen der Baiern nicht Funken der Ehrliebe und Selbstachtung, des Muths und der Entschlossenheit geworfen hätte: so hätte es doch wenigstens in den Augen der Wahrheitsforscher und Menschenfreunde der menschlichen Natur einen neuen Glanz ertheilt.] Man war blind dagegen. Das Volk frohlockte über die willkührlichsten, gesetzwidrigsten Verurtheilungen, und die Hauptanstifter alles Unheils flüsterten den Inquisitoren und Excecutoren hinter der Scene hervor Beyfall und Aufmunterunt zu.
 
     Nun tritt Friedrich auf, und zeigt den wahren Hergang der Sache in Ansehung des berüchtigten Ländertausches. Niemand kann nun die Illuminaten mehr für Landesverräther halten. Die Hitze sinkt. Die Täuschung hört auf. Man sieht wieder mit eignen Augen, nicht bloß mehr auf den Namen der Parthey, sondern auch auf Handlungen und Eigenschaften der Personen. [Künftig wird man hoffentlich nicht mehr solche Urtheile von Illuminaten lesen, als noch neulich Herr Hofrath Heyne in Göttingen in einem akademischen Programm über dieselben äusserte; oder als der Verfasser des so eben erschienenen Anti St. Nicaise fällete, welcher, von dem Strom des bösen Gerüchts hingerissen, S. 107 die Illuminaten unter diejenigen rechnet, welche durch alchymistische Betrügereyen die Bürger des Staats an den Bettelstab bringen, und S. 108 glaubt, der wegen seines edlen und guten Herzens so bekannte Kurfürst von Pfalzbaiern handle gerecht und billig, wenn er die Illuminaten und Schwärmer in seinen Staaten nicht duldet.]
 
     Das aufgeklärte Ausland [Die Berliner Monathschrift, Zweybrücker Zeitung, der teutsche Zuschauer etc. Parthey=Rachsucht hat noch allemal alle herrschenden Ideen, gute und böse Vorurtheile des Volks zu seinen Absichten gemißbraucht, seine Getreuen in der engsten Verbindung mit den beliebten Nationalgegenständen, die Feinde in Verbindung mit dem Verhaßten abgemahlt. In dem Gemählde des menschlichen Lebens, den Warnungen, gedruckten und ungedruckten Lästerschriften, und mündlichen Erzählungen blieb keine eingreifende Idee, kein Vorurtheil ungenützt, keine Classe von Menschen vom Minister bis zum Pöbel, vom sogenannten Freygeist bis zum Mönche und Jesuiten, ungeschmeichelt und unaufgereitzt. An dem einen Orte erklärte man die Illuminaten für preußische und zweybrückische Spionen, an einem andern gab man sie für österreichische Emissäre und Landesverräther an, und stellte die Verfolgung und Bedrückung derselben als ein Merkmal des Eifers für die Erhaltung der Nationalunabhängigkeit, und einen Beweis der Ergebenheit für das zweybrückische Haus vor. Da eine und die andere Person aus den Feinden des Ordens wirklich in beyder Rücksicht vieles mit Gefahr unternommen: so waren diese Ideen=Verbindung um so viel natürlicher und scheinbarer.
Wären von Berlin und Zweybrücken gleichfalls Versammlungs=Urtheile über die Illu-minaten ergangen, und hätten die Begierde zu schaden durch die Hoffnung auf Gunst und Gnade verstärkt; sicherlich, die Phantasie des Volks wäre noch nicht abgekühlt, es müßte noch ein Dutzend braver Männer das Land räumen. Doch Berlin, der Sitz aufmerksam prüfender und kaltblütig richtender Vernunft, behauptete sein Vorrecht: sah nicht auf Worte, sondern Sachen, schnitt die Auswüchse, und Zusätze der Pahntasie und Calumnie weg, und stellte die Sache der Illuminaten ihm wahren Lichte, im Verhältniß auf National=Glückseligkeit dar.
Zweybrücken scheint Mitleiden mit der Bethörung seiner künftigen Unterthanen und Mitunterthanen zu fühlen.
] fängt an, sein Erstaunen über die Bethörung eines ohnehin schon genug bedränkten Volks in öffentlichen Schriften zu äussern, und die betrogne und allenthalben unglückliche Nation den Verlust so vieler ehrlicher Männer, und guter Mitunterthanen zu fühlen, und in Geheim zu betrauren. Nun schleichen sich die Leute hinter der Scene weg, stellen sich zum Schein unter den immer mehr zunehmenden Haufen neutraler Zuschauer, schimpfen zu gleicher Zeit auf Illuminaten und Inquisitoren, und stellen den letztern, da sie doch größtentheils ihren Eingebungen gefolgt, zum Lohn ihrer Leichtgläubigkeit, den Korporalstab zur Hand.
 

Bey einer mehr politischen Wendung des Verfahrens
hätte dem Staat der Verlust manches brauchbaren
Mannes erspart werden können, wenn er, anstatt
weggeworfen, zurück geführt worden wäre.

     Gegenwärtig irren Weishaupt, Drexl, Marquis von Costanza, Graf von Savioli, von Delling, Baron von Kern, Baron von Meggenhofen, kein einziger blöden Verstandes, oder bösen Herzens, fast durch gehends aufgeklärten, veredelten Geistes, der eine da, der andere dort in der Fremde herum, und eine große Masse schöner und nützlicher Kenntnisse, guter und achtungswerter Gesinnungen ist für die Nation verlohren.
 
     Dieser Verlust (wie groß in den Augen des ächten Kenners!) hätte der Nation feylich wohl erspart werden können, wenn man diese Männer nach eine unpartheyischen, ordentlichen Untersuchung der wider sie vorgebrachten Beschuldigungen, durch eine gemachte Ehrenerklärung rehabilitirt hätte, ihrem Vaterlande zu dienen.
 
 


Nachtrag.

     Ich hatte schon geendigt, als ich das erste Stück des politischen Journals von diesem Jahr erhielt. In dieser so beliebten Schrift wird ebenfalls des Illuminatismus gedacht, und solcher unter einem neuen Gesichtspunct vorgestellt. In solchem wird dem Orden ein eigenes Lehrsystem zugeschrieben, daß zum Theil sehr schön seyn soll, aber andern Theils Lehren enthalte, die von keinem Regenten können geduldet werden. Da diese Aeusserung sehr unbestimmt ist, und mit keinen Beweisen belegt wird, so ist es sehr schwer, auf eine so allgemeine Anklage sich gehörig zu vertheidigen. Zu diesem Ende, um doch etwas zu thun, und dem Publicum einige Begriffe von den Lehren des Illuminatismus zu geben, ohne zugleich den Geheimnissen des Ordens zu nahe zu treten, wage ich es in der Beylage A. ein Sendschreiben der Obern von der baierischen Provinz, so wie sie mit jedem neuen Jahr gewöhnlich abgefaßt wurden öffentlich bekannt zu machen. Nichts ist fähiger, das Falsche und Ungegründete der bisherigen Beschuldigungen deutlich aufzudecken. Da die Regierung in München dieses Sendschreiben selbst ohnehin schon in Händen hat, und die Ehre und Unschuld der Mitglieder, so wie die grossen Absichten des Ordens durch diese Bekanntmachung am besten dargethan werden: so glaube ich auch von dem Vorwurf der Verrätherey hinlänglich befreyt zu seyn. An der Aechtheit dieses Sendschreibens darf wohl niemand zweifeln, da es allen Mitgliedern der Provinz ohne Ausnahme bekannt seyn wird. Wären die Ordensschriften nicht vernichtet worden, so ließe sich vieles gegen die Beschuldigung anführen, was gegenwärtig nur in so fern kann abgelehnt werden, als von einzelnen Mitgliedern dahin einschlagende Papieren gerettet worden. - Dieses Sendschreiben also soll beweisen, in wie ferne Eltern, Vormünder, Regenten Ursache haben, über Verderbniß ihrer Kinder und Mündel zu klagen oder wohl gar gefährliche Anschläge gegen den Staat zu vermuthen. Und obgleich die Beschuldigungen und Anklagen gegen den Orden der Illuminaten noch nicht aufhören, so kann ich doch meine Freude nicht bergen, daß solche von Zeit zu Zeit billiger und gemäßigter werden. Die Zeit selbst wir noch manches aufklären, und mancher Schriftsteller und Journalist sein Unrecht einsehen, daß er das Seinige beygetragen, um das Schicksal würdiger und schuldloser Menschen zu erschweren. - So sehr es aber auch den Verfolgern gelungen ist, teutsche Schriftsteller gegen den Orden einzunehmen, und teutsche Publicität zu unter drücken, so konnte doch die öffentliche Stimme nicht so sehr zurückgehalten werden, daß sie nicht in andern Gegenden um so lauter ertönte. Ein Beweis davon ist das 110 Stück des "Journal général de l´Europe", von welchem hier unter B. ein Abdruck, mit der teutschen Übersetzung für eine gewisse Classe von Lesern begleitet, erfolgt: weil die ganze Verfolgung in solchem unter einem Gesichtspunct vorgestellt wird, aus welchem jeder unbefangene Denker sie von selbsdt hätte betrachten sollen. Und eben daher weiß ich nicht, soll ich über meine Zeitgenossen zürnen oder lachen. Sie wissen doch, wie oft schon, seit denkende und nichtdenkende Menschen sind, dieses baierische Schauspiel, gegen alle Männer von Verdienst, immer unter den nämlichen Gestalt, und nur gegen verschiedene Personen aufgeführt worden. Sie wissen, wie zu allen Zeiten wohlthätige Anstalten und Absichten großer Männer, durch einen Anstrich von Irreligiosität, oder Staatsverrätherey bei dem unwissenden Haufen verdächtig gemacht worden. Sie wissen, daß kein großer Mann, selbst unser göttlicher Erlöser, zu keiner Zeit diesen beschiedenen Erbtheil großer Menschen entgangen: daß allezeit Unglück, Verachtung, Verleumdung, sogar der Tod der Antheil aller gewesen, die für das Wohl ihrer Mitmenschen am meisten besorgt waren. Sie sehen, wenn sie die Geschichte dieser Männer durchgehen wollen, daß immer dieselbige Anklagen seit Jahr-tausenden wiederholt worden, daß ein späteres und reiferes Menschenalter noch allezeit den Ungrund davon entdeckt, und diesen Märtyrern der Wahrheit und Menschheit, Gerechtigkeit, so wie ihren Verfolgern und Mördern den längst verdienten Abscheu widerfahren lassen. Sie wissen dieß alles, haben es so oft gesehen, gehört, gelesen, und doch bey jedem neuen Fall, wo die alte Farce wieder gespielt werden soll, stehen sie da, zaudern, tragen Anstand und Bedenken, was sie von der Sache denken sollen; tretten, ohne es zu wissen, zur Fahne der Verfolger über, und hindern dadurch das Gute, das geschehen könnte, und sollte.
 
     Ich kann es nicht verbergen, diese Kurzsichtigkeit vieler sonst so hell denkender Menschen erregt meinen Unwillen, und ich werden kleinmüthig darüber, daß sie viele so oft wiederholte Erfahrungen noch nicht fähig waren, den Menschen die Augen zu öffnen, und sie zu einer billigen Beurtheilung ihrer Wohlthäter zu bewegen. Beynahe zweifle ich, ob Menschen je klug und volljährig werden: beynahe möchte ich behaupten ihre Schicksale und Leiden wären wohlverdient. Gern möchte ich jeden als Thoren schelten, der die undankbare Arbeit über sich nimmt, für ihr Bestes zu arbeiten, darüber allen Vergnügungen entsagt, und sich zum Besten derer aufopfert, die ihn mit Undank belohnen. Gern möchte ich dem Geschrey der Moralisten beypflichten, die nur für sich sorgen, und sich um das Schicksal anderer wenig oder gar nicht bekümmern. Aber sogleich ermuntert mich wieder der Gedanke, daß sie nicht wissen, was sie thun: daß ich gutes thun soll, ohne auf Dank und Beyfall der Menschen zu rechnen: daß es Pflicht und höhere Pflicht sey, sie aus ihrem Irrthum zu reißen, und zu diesem Ende so viel zu thun, als jedem gegeben ist: daß der Tadel und Undank der Zeitgenossen, durch inneres Bewußtseyn von Erfüllung seiner Pflicht, durch die Ehrlichkeit seiner Absichten, durch die Folgen einer bessern und höhern Zukunft und durch den unausbleiblichen Beyfall einer billigern Nachkommenschaft jedem Wohlthäter der Menschen hinlänglich vergolten werden. Ich sehe ein, daß solche Auftritte geschehen müssen, um gewissen Gegenstände zur Untersuchung und Sprache zu bringen, die Aufmerksamkeit der Menschen darauf zu lenken, sie mit ihnen vertraut und nach und nach zu Volksbegriffen zu machen. Vielleicht ist kein einziger unserer ausgemachtesten Sätze, der nicht wenigstens einem Menschen sein Glück, Ehre oder Leben gekostet, wenn er in Zukunft frey und unangefochten seyn sollte. Wir haben sogar offenbare Irrthümer mit Blut erkauft: und Vorurtheil, Unwissenheit und Bosheit verteidigen ihr einmahl und schon so lang erworbenes Eigenthum zu gut, als daß sie es auf die erste freundschaftliche Abforderung so gutwillig abtreten sollten. - Ich sehe endlich auch einen Anytus und Melitus geben müsse, wenn ein Socrates erscheinen soll: und daß wenigstens ich, bei dem vesten Entschluß der Letzte zu seyn, nichts verliehre, wenn sich die ganze übrige Welt zum erstern entschließen will.
 

 

veröffentlicht in Wilhelm Ludwig Wekhrlins Zeitschrift "Das graue Ungeheuer", Nürnberg 1786.
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